O-Ton Amon-Glassl:
Ja, das Wochenende steht bevor – jetzt ist wieder ein großer Einkauf fällig. Was brauch ich alles? Küchenrolle, Salz, zwei Packerl Milch, zweimal Marmelade, Kartoffeln, zwei Packerl Nudeln und drei Gurken.
Und – hätten Sie sich alles gemerkt? Wie Sie mit einer einfachen Einkaufsliste Ihr Gedächtnis trainieren können, erklärt Arbeitspsychologin und Gedächtnistrainerin Ulrike Amon-Glassl. Sie greift auf eine lange Coachingerfahrung zurück und kennt so manche Lerntechniken, wenn es darum geht, sich effizient auf Prüfungen vorzubereiten oder seine Merkfähigkeit zu trainieren. Am besten beginnt man mit einfachen Dingen aus dem Alltag – wie beispielsweise der Einkaufsliste.
O-Ton Amon-Glassl:
Um sich eine Einkaufsliste zu merken, machen Sie einen Rundgang durch Ihr Wohnzimmer und verbinden die Gegenstände, die Sie einkaufen wollen mit ihren Einrichtungsgegenständen. Zum Beispiel: Sie sehen, dass die Eingangstüre staubig ist und wischen sie mit Küchenrolle sauber. Sie sehen, dass Ihre Zimmerpalme gedüngt gehört und Sie düngen sie mit Salz. Sie sehen, dass Ihre Glasvitrine Milchglas hat. Sie sehen, dass Ihr Fernseher mit Marmelade verschmiert ist. Sie sehen im CD-Ständer statt CDs Kartoffelpuffer. Sie sehen als Vorhang einen Nudelvorhang und auf Ihrem Fauteuil liegt eine Riesengurke. Wenn Sie dann beim Einkaufen sind, vollziehen Sie in Gedanken den Rundgang durch Ihr Wohnzimmer nach.
Ob Einkaufsliste, Geburtstage, fachbezogene Lerninhalte oder Ähnliches. Wenn man weiß, wie das Gehirn funktioniert, können Merktechniken gezielt angewendet werden.
O-Ton Amon-Glassl:
Merktechniken basieren darauf, wie unser Gehirn denkt – unser Gehirn denkt in Bildern. Zum Beispiel wenn ich Ihnen sage, denken Sie nicht an den rosaroten Panther, dann ist es unmöglich, ihn nicht vor Augen zu sehen. Weiters braucht das Gehirn Auslöser. Das kennen wir alle, wenn wir z. B. aus dem Raum gehen, um uns ein Glas Wasser zu holen, stehen wir in der Küche und wir wissen nicht mehr was wir wollen. Was machen wir? Wir gehen zurück – dort fällt es uns wieder ein. Das Gehirn setzt automatisch Auslöser. Die befinden sich willkürlich im Raum und wir setzen sie bei den Merktechniken bewusst dort ein, wo wir sie brauchen. Weiters braucht das Gehirn Struktur und Ordnung. Denken Sie sich eine Situation beim Einkaufen – dort gibt es Regale und auch unser Gehirn braucht Regale. Der vierte Punkt wären Assoziationen, das sind Verknüpfungen. Unser Hirn arbeitet gern mit Zusammenhängen. D. h. wir müssen immer zwischen den einzelnen Auslösern, den Merkinhalten, Verknüpfungen herstellen. Indem man eben einzelne Geschichten erfindet, um dem Ganzen einen Gesamtkontext zu geben.
Ein Beispiel für eine dieser erfundenen Geschichten, um Merkinhalte zu verknüpfen, haben wir anhand der Einkaufsliste geklärt. Für Prüfungen, bei denen Sie es mit Auflistungen zu tun haben, eignet sich beispielsweise die Kettenmethode hervorragend.
O-Ton Amon-Glassl:
Da hängt man verschiedene Auslöser zu einem Merkinhalt zusammen in einer Geschichte. Beispiel: Ich möchte mir die Länder Frankreich, Spanien, Deutschland, Finnland merken. Als Auslöser nehme ich Eifelturm, Stier, Bier und Sauna. Und die Geschichte dazu wäre dann zum Beispiel: Ich stehe vor dem Eiffelturm, plötzlich rast ein Stier auf mich zu, vor Schreck laufe ich in eine Bierstube und trinke ein Bier, das ich nachher in der Sauna rausschwitze. Eine weitere Methode wären die Zahlensymbole. Da wären die Auslöser dann Bilder. Zum Beispiel für eins Kerze, für zwei Zwilling, für drei Dreizack, für vier Kleeblatt usw. Das eignet sich gut für kleine Zahlen, z. B. Jahreszahlen und ich mache mir dann quasi aus diesen Auslösern, aus diesen Bildern, eine Geschichte dazu.
Was hier relativ leicht nachzuvollziehen ist, funktioniert in der Praxis auch mit komplizierten Lerninhalten sehr gut. Diese Lerntechniken können alle Menschen anwenden, denn es gibt kein schlechtes Gedächtnis, nur ein untrainiertes. Alles was dazu nötig ist: Einige Minuten tägliches Training und die Prüfungsvorbereitung wird zur reinsten Bildergeschichte! Ist die Prüfungsvorbereitung geschafft, beginnt für viele erst das wahre Problem: Die Angst vor der Prüfung selbst. Gerti Senger ist Psychotherapeutin und Gesundheitspsychologin und zeigt auf, woher Prüfungsangst kommt.
O-Ton Gerti Senger:
Prüfungsangst ist die Angst vor der Bewährung, die Angst nicht bestehen zu können und gleichzeitig damit eine Vorwegnahme der damit verbundenen Scham. Also, es ist wahnsinnig beschämend, Erwartungen nicht zu entsprechen, verachtet zu werden. Das stammt sicher noch aus frühen Kindheitserfahrungen, weil es sehr oft mit der Realität und mit dem, was tatsächlich zu erwarten ist, was ein Mensch ohnedies kann, in keinem Verhältnis steht.
Auch wenn die Auslöser für Prüfungsangst lange zurück liegen, stellen müssen wir uns diesen Ängsten im Hier und Jetzt. Die gute Nachricht: So wie man Prüfungsangst „erlernen“ kann, so kann man sie auch wieder verlernen. Aber dazu gehören einige Maßnahmen.
O-Ton Gerti Senger:
Die einzigste und wichtigste Voraussetzung ist, ich muss etwas gelernt haben. Wenn ich absolut nichts kann, dann ist es auch logisch, dass ich Angst habe, dass das auffliegt. Also wenn ich mich vorbereite, so dass man mich ruhig prüfen darf, dann ist die darüber hinaus reichende Angst wegzukriegen – die kann man sich abtrainieren, sozusagen. Das nächste ist zu wissen, mit wem hab ich es zu tun. Es ist ganz entscheidend sich zu überlegen – Nichtwissen macht Angst, Wissen beruhigt. D. h. wenn ich weiß, das ist ein Mann, der ist mittleren Alters, der ist gesprächig oder wortkarg, oder hat Witze gern oder nicht gern – also möglichst einiges in Erfahrung zu bringen reduziert einmal die Angst. Dazu gehört auch, dass man sich zum Beispiel anschaut, wo wird sich die Prüfung abspielen – das kann man sich schon anschauen, man kann direkt hingehen zum Beispiel in dieses Klassenzimmer, in dieses Gebäude. Man kann, und das halte ich für ganz wichtig, sich schon anziehen, was man zur Prüfung anhaben wird. Also, wenn ich weiß, ich werde anhaben, eine schwarze Jean und ein weißes Hemd, dann werde ich das auch anziehen, wenn ich dort hingehe, um mir das anzuschauen.
Wenn es dann soweit ist und man gut vorbereitet und seelisch gefestigt zur Prüfung antritt, gibt es vier weitere Tipps, mit denen Sie die letzte Hürde meistern. Veronika Spatzenegger von der Abteilung Weiterbildung im WIFI Salzburg erklärt worum´s geht:
O-Ton Veronika Spatzenegger:
Bei schriftlichen Prüfungen die Angaben genau durchlesen. D. h. zuerst die Fragestellung komplett lesen, und die Fragen mit einem Leuchtstift markieren und beim dritten Mal lesen, nur auf das eingehen, was wirklich gefragt ist. Zweitens sich die Zeit einteilen. D. h. wenn die Prüfung aus mehreren Teilen besteht, die Teile in einzelne zeitliche Einheiten unterteilen und wenn die Zeit überschritten ist, zum nächsten Teil übergehen. Drittens bei mündlichen Prüfungen genau hinhören, welche Fragen die Prüfungskommission stellt, weil die Antworten teilweise schon in den Fragen implementiert sind. Viertens, rechtzeitig zum Lernen zu beginnen, damit nicht zum Schluss Stress und Prüfungsdruck entsteht.
Mit all diesen Tipps sind Sie für jede Prüfung bestens gerüstet und auch Kalender, vergessene Geburtstage oder Einkaufslisten gehören der Vergangenheit an.